Dienstag, 26. Oktober 2010

Wie Omsk träumt. Ein Blick hinter die Kulissen der Fotografie

Kann eine Stadt leben? Oder ist es nur ein statischer Zustand, in dem sie existiert? Kann eine Stadt träumen? Schlafen und aufwachen? Lachen? Machen die Menschen ihre Stadt glücklich oder macht die Stadt ihre Menschen glücklich?

All diese Fragen versuchten 13 Fotografen aus Omsk zu beantworten. Unter der Leitung von Barbara Dietl, Portraitfotografin aus Berlin, fingen sie die Träume der Stadt mit der Kamera ein. Sie präsentieren ihre Arbeiten im Rahmen der Ausstellung „Berlin.Omsk.2 Träume“, die am 18. Oktober eröffnet wurde. Die Ausstellung ist noch bis zum 10. November in der Galerie „Belyj Kub“ zu sehen.

Sehen Sie, welche Träume unsere Stadt träumt und nutzen Sie die einzigartige Gelegenheit die Träume von Omsk und Berlin zu vergleichen: wie unterscheidet sich der Blick der Berliner Fotografin Barbara Dietl von dem Blick der Omsker Fotografen?

Barbara Dietl bei der Eröffnung der Ausstellung
(c) Andrej Shavin

Wasilij Melnitschenko, Direktor der Schule „Sobytije“,
Direktor der Galerie „Belyj Kub“, (c) Andrej Shavin

Die Ausstellung „Berlin.Omsk.2 Träume“ in der Galerie „Belyj Kub”, 18.10.2010
(c) Andrej Shavin


Ein Blick hinter die Kulissen

Wahrscheinlich interessiert es viele, wie die Vorbereitung zur Ausstellung verlief, wie die Fotos entstanden sind und ausgewählt wurden. Der Ausstellung ging ein Workshop voran.

Workshop mit Barbara Dietl – Die emotionale Seite der Fotografie
Los ging es am 12. Oktober. Barbara Dietl eröffnete den ersten Workshoptag. Anhand ihrer Bilder stellte sie sich und ihre Kunst vor, erzählte von ihrem Werdegang und den Fotografen, bei denen sie gelernt hat und die sie geprägt haben. Barbara Dietl ging ausführlich auf die Geschichte ihrer Bilder ein. „Ich bin kein Technikfreak, vielmehr interessiert mich die emotionale Seite der Fotografie.“, erklärte sie. „Wie kann ich die Atmosphäre einer Situation festhalten? Wie kann ich wiedergeben was ich sehe und zwar ganz subjektiv?“, das sind die Fragen, denen sich Barbara Dietl mit ihrer Kamera stellt. Eine Besonderheit ihrer Kunst ist die Kombination verschiedener Bilder. Die Fotografin stellt Fotos zusammen, die ihrer Meinung nach entweder etwas Ähnliches haben oder wo ein Bild als Fortsetzung des anderen betrachtet werden kann.


(c) Barbara Dietl, www.dietlb.de

Korrespondenz der Zärtlichkeit
Hier zum Beispiel wurden zwei Bilder zusammengestellt: das Portrait einer japanischen Tänzerin und die Fotografie einer Pflanze, durch die die Sonne strahlt. Barbara Dietl erklärte wie die Sonne zwischen den Zweigen mit dem Gesicht der Tänzerin korrespondiert. Was diese zwei Bilder noch ähnlich mache, sei dass beide etwas Zartes hätten. Die Fotografin präsentierte noch viele interessante Arbeiten und erläuterte sie. Unter diesen Arbeiten waren einige Fotos aus einer Serie, in der Dietl Menschen mit geschlossenen Augen fotografiert hat.


(c) Barbara Dietl, www.dietlb.de

Augen zu
„Ich hatte eine Lebensphase, in der ich Menschen nur mit geschlossenen Augen fotografieren wollte. So bekommt das Gesicht einen neuen, besonders ruhigen Ausdruck und sieht ganz anders aus.“, berichtete Dietl. Die Fotografin war offen für alle Fragen. Einer der Teilnehmer wunderte sich über Dietls Kompositionen. Er fragte, warum die Menschen auf einigen Fotos abgeschnittene Beine oder Arme hatten. „Wenn ich ein Foto mache, ist für mich die Komposition sehr wichtig, sodass ich lieber auf einen Arm oder ein Bein verzichte, um die Komposition des ganzen Fotos nicht zu stören.“, erklärte die Berliner Fotografin daraufhin.


(c) Barbara Dietl, www.dietlb.de

Fremde und vertraute Gesichter
Wie findet Barbara Dietl die Gesichter für ihre Portraits? Fotografiert sie Bekannte oder Fremde? Die Fotografin erklärte, in Deutschland sei es sehr kompliziert Modelle auf der Straße zu finden. Erstens dürfe man das Foto von einer unbekannten Person nicht veröffentlichen, ohne dass die Person das schriftlich erlaube. Zweitens ließen sich die Menschen in Deutschland nicht so gerne fotografieren, manche möchten auch Geld dafür bekommen. Deswegen seien auf ihren Bildern meistens Menschen, die sie kenne. Es gebe natürlich auch Portraits von Personen, die sie auf der Straße fotografiert habe, aber nicht so viele.

Fotografie-Talente aus Omsk
Auch die Teilnehmer des Workshops stellten sich mit eigenen Bildern vor. Jeder hatte eine fotografische Arbeit ausgewählt und erzählte, warum er dieses Bild am meisten mag. Eine Teilnehmerin zeigte Fotos aus einer ungewöhnlichen Serie. Sie hatte Menschen in Berufskleidung fotografiert. Die Modelle hatten sich nach den Traumberufen ihrer Kindheit verkleidet: Eine Richterin, die Baletttänzerin hatte werden wollen oder ein Fotograf, der als Kind Chirurg werden wollte. Ein weiterer Teilnehmer präsentierte seine Fotoserie „Geburtstag unserer Stadt“. Die Bilder sind voller Kontraste. Während die Einen feiern und sich amüsieren, müssen die Anderen arbeiten, sodass das Fest für sie ganz anders aussieht. So haben alle Teilnehmer des Workshops viel Interessantes sowohl übereinander, als auch über die Kunst der Fotografie erfahren.

Architekturfotografie mit Barbara Seyerlein.
Einen weiteren Aspekt der Fotografie beleuchtete Barbara Seyerlein. Die Architekturfotografin war zusammen mit Barbara Dietl aus Berlin angereist und unterstützte den Workshop in Omsk. Anhand ausgewählter Bilder aktueller Bauten aus Berlin und Westdeutschland führte sie die Omsker Fotografen in die Architekturfotografie ein.

Von Träumen und Antiträumen
Im Anschluss hat jeder Teilnehmer das Thema der Fotoserie gewählt, die er zur Ausstellung beitragen wollte. Die Themen waren ganz unterschiedlich: Kindheit, Einsamkeit und Gemeinsamkeit, Träume der Menschen in der Stadt, Individualitätsverlust, Fenster, Werbeschilder, die die Schönheit unserer Stadt verdecken und noch viele andere… Eine Teilnehmerin entschied sich „Müll in der Stadt“ zu fotografieren. Auf den ersten Blick schien das nicht zum Thema der ganzen Ausstellung „Träume“ zu passen. Die junge Fotografin erklärte aber, dass jede Stadt sowohl Träume, als auch „Antiträume“ haben könne. So sieht man auf ihren Bildern das, was unsere Stadt nicht haben möchte, wovon sie auch nie träumen würde.

An die Arbeit! Am Tag und in der Nacht, am Strand und auf dem Friedhof...
Am Donnerstag wurde richtig hart gearbeitet. Jeder hatte sein eigenes Thema, jeder hat für sich den Ort in der Stadt gesucht, an dem die Fotos entstehen sollten. Einige arbeiteten am Tag, andere in der Nacht. Die Fotos enstanden an ganz verschieden Orten unserer Stadt – in den Straßen, in den Parks, am Strand, in der Schule, sogar auf dem Friedhof! Einige Orte haben die deutschen Fotografinnen Dietl und Seyerlein besucht, um den Teilnehmern Ratschläge zu geben, wie sie am besten an das gewählte Thema herangehen konnten. Am Ende wählten die beiden Fotografinnen gemeinsam mit den Teilnehmern die besten Bilder für die geplante Ausstellung aus. Jeder Teilnehmer durfte nicht mehr als fünf Bilder ausstellen. Es wurde viel diskutiert, jedes einzelne Bild wurde ausführlich betrachtet und besprochen, bevor die Entscheidung über sein Schicksal getroffen wurde.

Treffen mit Studenten der Schule für Fotografie und Multimedia „Sobytije“
Barbara Dietl besuchte auch Studenten der Omsker Schule für Fotografie und Multimedia „Sobytije“. Dort referierte die Fotografin anhand ihrer Bilder über die Kunst der Fotografie. Auch einige Studenten zeigten ihre Arbeiten. Dietl beantwortete alle Fragen der Studenten. Es war ein interaktives Treffen. Keiner hatte das Gefühl, bloß ein schweigender Zuschauer zu sein. Am Ende wollten viele ein Autogramm von Barbara Dietl bekommen. Sie wunderte sich und sagte, dass sie in Deutschland nie um Autogramme gebeten werde. Das habe sie bisher nur in Russland erlebt.

Gespräche unter Künstlern
Mit der Vernissage der Ausstellung „Berlin.Omsk.2 Träume“ ging Barbara Dietls Workshop zu Ende. Jeder der Teilnehmer fühlte sich absolut wohl. Jeder durfte seine Meinung äußern, auch wenn sie der Meinung von anderen widersprach. Jede Idee wurde akzeptiert und besprochen, was sehr wichtig beim Gespräch von Künstlern ist. Schließlich hat jeder seinen eigenen Stil und einen eigenen Blick auf unsere Welt, die er in seinen Bildern reflektiert. Es war eine schöne Erfahrung für alle, sowohl für die Leiterinnen des Workshops, als auch für die Teilnehmer. Alle haben etwas für sich mitgenommen und die Möglichkeit genossen, eigene Arbeiten zu zeigen und die Meinung anderer zu hören.

Оксана Лютова


Erleben Sie die Ausstellung „Berlin.Omsk.2 Träume“ noch bis zum 10. November in der Galerie Belyj Kub, ul. Marschala Zhukova 21, 8. Stock.


Teilnehmer der Workshops, Babara Dietl, Barbara Seyerlein, Wasilij Melnitschenko
(c) Andrej Shavin, Barbara Dietl

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